NGC 3610, NGC3642 und UGC 6335 im Großen Bären

Primäres Ziel bei dieser Aufnahme war die Galaxie NGC 3642. Sie ist eine Spiralgalaxie vom Typ Sc, d.h. laut Definition mit kleinem Kernbereich und locker gewundenen Armen. Der eigentliche Kern ist bei dieser Galaxie klein, aber um ihn herum gibt es eine leuchtkräftige innere Scheibe aus eng gewundenen Armen, die erst weiter außen in schwache, weit ausladende Arme übergehen. Dabei ist kein kontinuierlicher Übergang zu erkennen, also keine einzelnen Arme, die sich vom Kern bis nach außen verfolgen lassen. Die ausladenden Arme setzen "einfach so" am äußeren Rand der inneren Scheibe an. Sie sind z.T. unterbrochen und weisen Knicke, also abrupte Richtungsänderungen auf. Solche Erscheinungen sind in der Regel die Folge einer gravitativen Wechselwirkung mit einer Nachbargalaxie.

NGC 3610 in der rechten unteren Ecke ist eine Nachbargalaxie. Sie ist als linsenförmige Galaxie klassifiziert. Wie man leicht erkennen kann, hat sie einen mächtigen zentralen Balken und eine lichtschwächere, kreisrunde Scheibe darum. Ob NGC 3610 mit NGC 3642 wechselwirkte? Dazu habe ich keine Informationen gefunden. Die anderen im Bild befindlichen Galaxien befinden sich viel weiter entfernt. Die hellsten von ihnen sind zum einen die lichtschwache Spiralgalaxie UGC 6335 am oberen Bildrand und zum anderen die Spiralgalaxie LEDA 34602 am unteren Bildrand.

Wenn der Mauszeiger aufs Bild bewegt wird, erscheinen die Katalogbezeichnungen der hellsten Galaxien. Das Bild ist in voller Größe beim Klick aufs Bild oder hier zu finden.

Datum: 04.05.13, 00:50h MESZ

Optik: f=750mm f/5,4

Nachführung: TVGuider mit Watec 120N an 90mm f/5,6

Gesamtbelichtungszeit: 129 min (Einzelbilder: 180 Sekunden)

Kamera: Atik 460EX

 

In einem Sternkartenprogramm fand ich nördlich von NGC 3642 einen Stern mit hoher Eigenbewegung eingezeichnet. Das brachte mich auf die Idee, die Eigenbewegung mit Hilfe der Aufnahmen aus dem POSS I und POSS II farbig zu codieren. Es traf sich sehr günstig, daß die Aufnahme aus dem POSS I 60 Jahre und die Aufnahme aus dem POSS II 20 Jahre älter waren als meine Aufnahme, und zwar jeweils fast auf den Monat genau. D.h. die Winkeldistanz, die der Stern zwischen den drei Aufnahmen zurückgelegt hatte, hatte ein Verhältnis von genau 2:1. Die Aufnahme aus 1953 wurde in den Blaukanal, die aus 1993 in den Grünkanal und meine Aufnahme aus 2013 in den Rotkanal geladen. Das Ergebnis ist das nebenstehende Bild. Die verschiedenen Positionen von LHS 2398 sind sehr schön zu sehen.

Doch es gab noch ein paar Sterne im Bild, deren Bilder in den einzelnen Farbkanälen nicht exakt aufeinander zu liegen kamen. Besonders ein hellerer Stern rechts neben LHS 2398 fiel mir auf. Er war weder im Sternkartenprogramm noch in Aladin als Stern mit hoher Eigenbewegung (HPM Star) verzeichnet. Um zu überprüfen, ob das Bild nur schlecht gestackt war, oder ob der Stern sich tatsächlich in den einzelnen Farbkanälen um Strecken, die ein Verhältnis von 2:1 hatten, fortbewegt hatte, fertigte ich eine extreme Vergrößerung an, versetzte die einzelnen Farbkanäle vertikal um 10 Pixel (da sich der Stern ja horizontal, d.h. in Ost-West-Richtung, zu bewegen schien) und zählte die Abstände in Pixeln aus. (Bild unten)

Es gab keinen Zweifel. Der Stern hatte sich zwischen 1953 und 1993 eindeutig doppelt so weit nach Westen bewegt wie zwischen 1993 und 2013. Die Bewegung war also real, und der Stern damit einer mit einer durchaus hohen Eigenbewegung. Aus dem in Pixeln gemessenen Weg schätzte ich die Geschwindigkeit auf grob 90 Millibogensekunden pro Jahr. Das genaue Rechenergebnis lag bei 87, aber der Fehler des Ergebnisses ist durch die nur wenige Pixel lange Wegstrecke natürlich enorm (größer als +/-10 Millibogensekunden). Umso erstaunlicher ist die fast exakte Übereinstimmung mit dem Literaturwert, der im obigen Bild eingetragen ist. Diese gute Übereinstimmung ist purer Zufall.

Aber noch war ich nicht soweit. Ich hatte zwar herausgefunden, daß der Stern eine hohe Eigenbewegung hatte, aber er schien nirgends verzeichnet zu sein. In den bekannteren Katalogen von Sternen mit hoher Eigenbewegung oder von Sternen, deren Eigenbewegungen bekannt waren, war kein Stern mit seiner Position verzeichnet. Ich konnte es nicht glauben, daß ich der erste Mensch sein sollte, dem diese doch beträchtliche Eigenbewegung auffiel. Endlich fand ich in Vizier einen Katalog mit einem passenden Suchprogramm, das mir rund um eine Koordinatenposition alle Sterne und ihre Eigenbewegungen anzeigte. Und siehe da, da war endlich der gesuchte Stern verzeichnet, mit einer Eigenbewegung von gut 90 Millibogensekunden pro Jahr in Richtung Westen.

Jetzt sah ich mir auch die anderen Sterne im Bild an, ob es da nicht auch farbige Säume gab, die auf eine Eigenbewegung hindeuteten. Es gab tatsächlich ein paar weitere Sternen, für die ich dann auch beträchtliche Eigenbewegungen mit Hilfe des erwähnten Suchprogramms fand. Abhängig von der Helligkeit des Sterns konnte ich Eigenbewegungen bis hinunter zu 25 Millibogensekunden pro Jahr durch farbige Säume der Sternbilder im farbcodierten Bild aus drei Epochen identifizieren.

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