Auf NGC 3640 und ihre Umgebung bin ich gestoßen, weil diese Galaxie in meinem "Sternatlas kompakt" von Kosmos eingezeichnet war. NGC 3640 schien zwar "nur" eine Elliptische Galaxie zu sein, aber das Umfeld war mit vielen helleren Galaxien besetzt und sah attraktiv aus. Besonders faszinierend fand ich eine Galaxiengruppe südsüdöstlich von NGC 3643. Da eine Schönwetterphase mit vielen klaren und mondlosen Nächten eingesetzt hatte, fand die Bildbearbeitung erst später statt.
Normalerweise schaue ich täglich bei Rochesterastronomy nach, ob es neue interessante Supernovae gibt. Doch der Himmel war wegen des weitgehend zum Erliegen gekommenen Flugverkehrs wegen der Corona-Pandemie so gut, dass ich Ziele entlang des Himmelsäquators aufnehmen konnte, was sich üblicherweise durch den ganzen Dunst in der Luft nicht lohnt. NGC 3640 liegt nur gut 3° nördlich des Äquators. So schaute ich erst einige Tage später nach neuen Supernovae und fand mit SN2020hvf eine sehr helle. Die Muttergalaxie NGC 3643 sah nicht spektakulär aus, aber das Umfeld mit einer Gruppe hellerer Galaxien südsüdöstlich von ihr war reizvoll. Und es kam mir merkwürdig bekannt vor. Hatte ich diese Gegend nur fotografieren wollen, oder hatte ich sie tatsächlich abgelichtet? Ich hatte sie fotografiert, und die Supernova war sichtbar! Nur einen Tag nach ihrer Entdeckung und noch bei ansteigender Helligkeit hatte ich zufällig ein Foto von ihr.
SN2020hvf wurde am 21.04.2020 von einem amerikanischen Supernovasuchprogramm bei einer Helligkeit von 17,1 mag entdeckt. Auf meiner Aufnahme schätze ich ihre Helligkeit auf ca. 16 mag. Knapp drei Wochen nach ihrer Entdeckung erreichte sie ihre maximale Helligkeit von 12.4 mag und begann dann sehr langsam schwächer zu werden. SN2020hvf war eine Supernova vom Typ Ia, bei dem ein Weißer Zwerg in einem engen Doppelsternsystem nach Erreichen einer kritischen Masse von ca. 1,4 Sonnenmassen in einer thermonuklearen Explosion seine ganze Masse in Energie umwandelt.
NGC 3643 ist eine Spiralgalaxie in etwa 90 Millionen Lichtjahren Entfernung. In der gleichen Entfernung befinden sich NGC 3640, NGC 3641 und NGC 3630. NGC 3644 ist über 300 Millionen Lichtjahre entfernt, und NGC 3647 leuchtet mit den anderen helleren Galaxien aus einer Distanz von knapp 700 Millionen Lichtjahren. Bemerkenswert ist der Halo von NGC 3640. Er ist weder rund noch elliptisch, sondern trapezförmig. Er wirkt wie ein Lampenschirm mit NGC 3641 als Lampenfuß. Viele Elliptische Galaxien haben einen Halo, und bei vielen kann man auch bei genauerer Untersuchung Störungen feststellen. Aber eine solch merkwürdige Form habe ich bisher noch nie beobachtet.
Bei der Identifikation der Galaxien im Bild fiel mir rechts unten ein kleiner, hellerer Strich auf, der bei Cartes du Ciel nicht verzeichnet war. Sollte das eine der vielen nicht katalogisierten Galaxien sein? Der Vergleich mit der Aufnahme des SDSS war negativ: Keine Galaxie an der Stelle. Das konnte dann nur ein Kleinplanet sein. Richtig! Die Überprüfung der Koordinaten auf der Webseite des Minor Planet Centers ergab, dass der Kleinplanet (4415) Khrennikov dort langsam eine kurze Bahn zog. Mit einer Helligkeit von 17,6 mag war sie gut sichtbar. Etwas weiter westlich sollte ein weiterer, mit einer Helligkeit von nur 19,4 mag wesentlich lichtschächerer Kleinplanet seine Bahn gezogen haben. Und richtig: Ich konnte eine schwache Spur erahnen. Die Gegenprüfung des Orts der Spur bei Aladin ergab genau die Koordinaten des Kleinplaneten (55344) 2001 SH138. Ich habe den Ausschnitt der Spur im Kontrast angehoben, damit sie besser sichtar wird. Die beiden Kleinplaneten sind somit das Sahnehäubchen auf einer sowieso schon sehr glücklichen Aufnahme.
Wenn der Mauszeiger aufs Bild bewegt wird, erscheinen die Katalogbezeichnungen der helleren Galaxien.
Datum: 22.04.16, 23:04h MESZ
Optik: f=750 mm f/5,4
Nachführung: TVGuider mit Watec 120N am 90mm f/5,6
Gesamtbelichtungszeit: 72 min (Einzelbilder: 180 Sekunden)
Kamera: Atik 460EX